Die Verlorenheit war zur Nacht geworden und die Nacht erneut zum Tag. Und aus dem Nebel des Morgens stieg Zartheit hervor. Blass wie der Mond. Zerbrechlich und schön. Eine Ahnung von Frühling und Leichtigkeit. Lächelnde Stille umhüllte sie.

(Forlornness had become night and night had yet again become day. And from the mist of the morning rose tenderness. Pale as the moon. Fragile and beautiful. An inkling of spring and lightness. Smiling silence enveloped her.)

Und sie stolperte durch neblige Frühlingstage, die um jeden kleinen Sonnenstrahl kämpften. Schaute zu, ob der Tag den Kampf wohl gewann, fiel dann in seine Schatten… und diese trugen sie davon.
An den Rand lichter Wälder, die sie verschlangen.
Und lächelnd ließ sie alles geschehen.
Ließ die Tage verstreichen, die Tage vergehen.
Folgte den Wolken am Himmel, flog über die Felder.
Flog mit den Schwänen. Flog mit den Krähen.
Unsichtbar durch neblige Frühlingstage…

Es war eine seltsame Zeit im Jahr. Schnee und Kälte waren gegangen und die Welt verharrte in dieser kargen Trostlosigkeit des Winters, der seinen Zauber verloren hatte. Alles wartete. (Und das erste Grün, das irgendwo zwischen den verdorrten Blättern aufblitzte, versprach, dass dieses Warten nicht vergeblich sein würde…)

…it was a strange time of year. Snow and cold had gone and the world lingered in this barren desolation of winter that had lost its magic. Everything was waiting. (And the first green that flashed somewhere among the old withered leaves promised that this waiting would not be in vain…)

She had forgotten who she was. She had forgotten who she was. And the razor blade on her skin whispered: “This is you. Can you feel it? This is you, this is you. You are sadness. Emptiness.
Oh, you are that funny, senseless pain.
Accept that, my darling.
You are the cry that is silent…
and yet never stops crying the always same.”

Weihnachten vorbei, neues Jahr und ich… verheddere mich in dem Versuch, mich nicht zu verheddern. Was wollte ich denn eigentlich anfangen dieses Jahr? Was ist noch fertig zu machen? Was war schon angefangen? Was kommt noch dazu?

Ich wollte mir schrecklich gerne die Zeit nehmen, meine „projects“ mal zu überdenken – so richtig wirklich Zeit und ganz viel Ruhe. Denn da stimmt so Einiges nicht und wartet darauf, nochmal überdacht und verstanden zu werden. Ich wollte Foto-Bücher zusammenstellen und damit eigentlich schon längst fertig sein. Ich wollte euch mitteilen, dass es jetzt Drucke zu kaufen gibt. (Entscheidende Voraussetzung dafür wäre nur, diesen Karton mit Probedrucken, der seit einigen Wochen in meinem Schlafzimmer steht, mal auszupacken und anzugucken.)
Und ich wollte Platz für Blödsinn. Für diese Dinge, die kein Denken verlangen und genau deshalb manchmal noch viel mehr Mut verlangen, als anderer Kram. Kein Plan, kein Ziel… nur dem Gefühl vertrauen. Dem Moment. Oder dem Spaß.

Ich wollte Zeit, die Dinge entspannt anzugehen.
Ist vielleicht das Wichtigste.
Naja, und sich nicht zu verheddern dabei…

Irgendwie so. Ja, irgendwie so ist das wohl.
Und an alle, die hier immermal vorbeischauen: ein wunderbares neues Jahr wünsch’ ich euch!

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Und dann fragte sie den dicken, faulen Kater, der am Ofen lag: “Meinst du nicht, dass wir alle diese Sehnsucht in uns tragen, ganz und gar eins mit dem Wald zu sein? Und dem Meer und der Luft und den Bergen?
Den Bäumen.
Den Steinen.
Oder ist das nichts… als romantisch verklärter Kitsch?”. 
Er gab ihr keine Antwort, jedoch schien er äußerst zufrieden zu sein.

[Du darfst keine Angst vor deinen Gedanken haben. Wenn du Angst hast, beginnen sie zu wackeln und zu zittern. Doch zitternde Gedanken sind unbrauchbar. Sie führen dich nur ins Zweifeln…]

Alles zieht zur Langeweile. Zu gewohnter, stumpfer Belanglosigkeit. Du magst, was du kennst und was du begreifst. Du magst das, was dir verständlich erscheint – auch wenn du damit offenbarst, überhaupt nichts zu verstehen. Es ist schon okay. Es ist langweilig schön.

[Sometimes she felt so damn bored of the dullness of the world and the people. But probably… she was not any different]

Und so schaute sie hinauf zum Mond und wünschte, er würde sagen:
„hey, du hast genug gemacht. Jetzt hüpf’ los in den Wald und sei frei.
Es gibt nichts mehr zu tun.
Es gilt nur noch zu sein.“.

Doch der dumme Mond tat nichts als zu leuchten…
…und sie fühlte sich allein.

Und so schaute sie zu dem alten Baum
und sehnte sich nach Rat.
Nach einer Richtung.
Nach irgendwem,
der etwas Schlaues zu ihr sagt. 
Etwas wie: „Jetzt lass’ los. Gib’ dich hin.
Dem Leben, dem Fühlen und dem Sinn.
Hab’ keine Angst, allein zu sein…
…denn alles ist eins. Alles ist eins.
Und du bist mittendrin.“…

[And there is nothing left to do. All that is left is to be…]

Sometimes she had wondered if life wasn’t easier when she didn’t care. When she knew no reason to fight for anything. And was too tired to want anything. Too exhausted to dream or plan. Too indifferent to hold on to something that didn’t stay in her life all by itself. Too bored with herself. She was just there. A stupid coincidence. A stupid joke. She did what she did or didn’t do. She didn’t laugh, she didn’t cry. She did feel, but whether it was pain or joy… despair or happiness… – it made no difference.
She had come to understand that she was nothing more and nothing less than an arbitrary thing whose comings and goings, whose actions and whose happiness were irrelevant.
And sometimes she had wondered if life wasn’t easier in those days. After all, things only became complicated when they took on meaning….

[And you have to breathe. Breathe. Not think. Not plan. Not wanting. Not searching. You just have to breathe. And wait. And see. And feel.
Trust]

Manchmal saß sie da, betrachtete die Dummheit der Menschen und obgleich sie fürchtete, dass ihr Urteil vielleicht ungerecht und falsch sein könnte, überkam sie doch das Gefühl, das einzig Vernünftige bestehe darin, Bratwürste zu verkaufen. Nichts sonst zu tun. Nichts sonst zu denken. Tag für Tag für Tag einfach nur Bratwürste* zu verkaufen. Und zwischendrin für ein paar Momente in die Sonne zu lächeln… ganz leise… ganz still… ganz unbemerkt…

*Vegane Bratwürste. (Oder auch Blumen. Regenschirme. Kreuzworträtselhefte.)

Sie fühlte sich allein mit einem Stapel voll Müll, den sie irgendwann wohl produziert hatte.
Trau’ dich zuzulassen, was da ist.
Korrigiere dich nicht.
Reduziere dich nicht.
Sie wollte Müll. Müll, der weh tut.
Keinen Müll, der sich bemüht, schön zu sein.

Sie wollte Schönheit.
Zart duftende Leichtigkeit, die sich aus der Tiefe ergibt.
Aus der Tiefe des Mülls, der sich nicht um Schönheit bemüht.
Korrigiere dich nicht.
Reduziere dich nicht.
Sei alles. Sei Nichts.

Es gelang ihr nicht, sich zu greifen.
Oder hatte sie Angst, am Ende nur Müll zu finden?
Müll, der einfach nur Müll ist.
Tonnen voll von überflüssiger Belanglosigkeit…

(Komm’, lass’ uns Schlammbomben auf unsere Vergangenheit werfen. Das könnte lustig sein.)

Vielleicht war sie auf der ständigen Suche nach einer Realität, die ihr wirklich real schien… und wusste doch, dass diese Suche vergebens war. Denn nichts, was ihr in dieser seltsamen Welt der Menschen begegnete, schien ihr wirklich, nichts schien ihr wahr. Jeder scheinbaren Tatsache ließ sich eine andere, ebenso wahr erscheinende Tatsache entgegen setzen. Alles, was man zu denken und zu sein glaubte, war letztlich ersetzbar durch irgendein anderes Sein und Denken, das ebenso gut funktionierte. Und dann suchte man sich aus, was man glauben wollte. Was man sein und denken wollte. Oder verzweifelte daran, die Entscheidung nicht treffen zu können. Oder lachte über den Unsinn der Welt…

[Manchmal versuchte sie zu denken… und manchmal war sie so müde davon]
Manchmal versuchte sie, zu verstehen. Und manchmal bemerkte sie, dass genau das, was man nicht verstand, das Einzige war, was Sinn ergab…
Und diesem Sinn wollte sie eine Form geben. Diesen Sinn wollte sie festhalten. Diesen Sinn wollte sie genauer betrachten. Tiefer erfahren. Länger spüren. Und wusste nicht, wie das geht. Dann versuchte sie manchmal zu denken. Und manchmal war sie so müde davon…

Diesen Punkt zu finden, an dem sie vollkommen nackt war. War es das, worum es ging? Den Punkt, an dem sie sich vollständig sehen konnte… sich erkennen konnte, weil es ihr gelungen war, alles abzulegen, was den Blick versperrte. Loslassen. Alles.
War es möglich, das auszuhalten? Wie weit konnte man gehen? Wie weit konnte sie gehen? Auf welchem Weg? Und wozu? Wozu? Glaubte sie wirklich, dabei etwas zu finden, zu gewinnen? Etwas, das einen Wert haben könnte? Für wen? Und was immer sie zu finden versuchte: ließ es sich teilen oder war man allein? Ging es darum, etwas zu erschaffen? Ging es darum, sich zu finden? Oder ging es nur darum, sich selbst zu zerstören? Schloss das Eine das Andere aus? War das gut? War das schlecht? Und war das alles nicht einfach nur sinnlos anstrengend? War sie müde?
Vielleicht hatte sie keine Lust mehr zu suchen… sie hatte Lust anzukommen.
Sie hatte Lust anzukommen. Boden zu spüren. Und Wärme. Und Leichtigkeit.
Loszulassen. Frei zu sein.
Vollkommen nackt. Ohne Angst.
Loszulassen.

Wie traf man die Entscheidung, ob man Blumen pflücken wollte oder Fensterscheiben einschlagen? Still durch den Wald laufen oder schreiend durch die Stadt? Ob man sich freuen sollte über etwas Schönes, das entsteht oder etwas Hässliches, das zerfällt? Wollte man erschaffen oder zerstören? Meditieren oder sich betrinken? Lieben oder Ficken? Sie wusste es nicht.
Und zwischen den Gegensätzen lag Stille. Zwischen all den Widersprüchen war es leise. War Zeit… war Platz… zum Atmen…

Sie versuchte, die Teile, aus denen sie zu bestehen glaubte, zu einem Ganzen zusammenzusetzen… und scheiterte. Sie versuchte, die Teile, aus denen sie zu bestehen glaubte, in klar geordnete Schubläden zu sortieren… und verlor sich in Chaos. Verlor sich in Chaos und bemerkte, dass jenes Chaos wohl ein Teil von ihr war. Ein weiterer Teil. Ein zentraler Teil. Oder ihr ganzes Ich. Es gab keine Ordnung, es gab kein Ganzes… 

Sie war zum Teich gegangen, wo die Schwäne wohnten, betrat zögernd das Eis… schaute sich um… und sie fror. Doch ihr Mantel war schwer und sie warf ihn beiseite. Spürte das Beißen der Kälte, und ebenso Freiheit… und zwischen all den Tränen in ihrem Gesicht begann sich ein Lächeln zu formen.
Und so stand sie für Stunden, vielleicht gar für Tage zwischen Eis und Schnee, so leicht und so froh. Doch einsam – und sie wünschte sich etwas Gesellschaft… schickte die Schwäne fort, ihren Liebsten zu holen. Der eilte zu ihr, reichte ihr einen Mantel… und ein Teil von ihr sehnte die Wärme herbei… der andere Teil wollte in der Kälte verweilen, ließ den Mantel als Gefängnis erscheinen… und sie schließlich verzweifeln an ihrem Wollen.

Sie suchte dieses Gefühl, barfuß durch den Schnee zu laufen. Weit und weiß. Und still. Durch den Schnee zu laufen. Schnee zu sein. Vom Wind immer weiter und weiter getrieben. Weit und still… und frei. Und die Schwäne auf dem gefrorenen Teich waren so weiß wie ihr Kleid. Und weiter, weiter… lief sie… weiter… bis zum Wald. Traf den Hirsch und stach ihn nieder. Und legte sich zu ihm, so weit… und so weiß… und so rot… und so schön… und so still… und so frei…

[Ich versuchte, etwas zu denken, das sich nicht denken ließ. Nicht in Worten. Nicht mit dem Verstand. Ich versuchte, etwas zu denken, das sich nicht verstehen ließ. Keine Form hatte. Keinen Sinn ergab. Etwas, das nicht existierte… und doch war es da. War so nah, war so klar.]

„Als sie im Schnee lag, wurde es still und die Schwäne auf dem gefrorenen Teich waren ebenso weiß wie ihr Kleid.“ murmelte mein Kopf und ich wusste nicht, was er mir sagen will. Ich wusste nur, dass ich ein Bild daraus machen wollte. Dass ich es festhalten wollte. Dass es eine Form haben sollte. Doch wie fand man die passende Form, wenn man den Inhalt nicht verstand?

Ich kann mich gar nicht richtig erinnern, wann diese Corona-Sache eigentlich angefangen hat. Die Ausgangsperre. Lockdown.
Natürlich weiß es mein Verstand, aber mein Gefühl versagt bei dem Versuch, die schon verstrichene Zeit zu greifen. Vielleicht, weil ich immer schon ein miserables Zeitgefühl hatte. Vielleicht auch, weil man es nicht begreift. Man war ja keineswegs überrascht von den Beschränkungen, hatte längst damit gerechnet, sich irgendwie darauf eingestellt. Man war nicht überrascht davon und doch ein wenig überrannt. Man hatte das Unerwartete erwartet, trotzdem blieb es unerwartet. Unverständlich, was da gerade passiert. Unwirklich.
Alles war wie immer und doch schien nichts wie sonst. Oder andersrum? War plötzlich alles anders und schien doch so wie immer zu sein? Ich weiß es nicht, aber die Zeit fing plötzlich an, so ungewohnt langsam und still zu vergehen. Ungewohnt, aber keinesfalls unangenehm.

Irgendwo da draußen redeten sie von „Krise“ oder „Ausnahmezustand“… das kam irgendwie an, aber im Grunde spürte man nichts davon. Und spürte es doch. Und wartete. Langsam. Leise. Abgeschottet. Und gefangen in dieser Dauer-Sonntags-Stimmung verlor man sich bald in friedlichen Frühlingstagen. Corona irgendwo da draußen. Corona in den Nachrichten, im Fernsehen. Corona auch hinter den leeren Geschäften, Cafes und Straßen. Aber die Straßen selbst waren so, wie sie immer waren. Und die Bäume und die Luft und die Sonne. Und ich. Und der Frühling. Der Frühling. Der Frühling, der jetzt einfach nur Frühling war. Mehr Frühling vielleicht, als er seit Jahren hatte sein können…

(Und an der Stelle verlieren sich meine Gedanken (mal wieder) oder verweigern sich zumindest meinem Versuch, sie zu formulieren. Dabei wollte ich am Ende eigentlich nur darauf hinaus, dass ich keine Ahnung hab’, wo ich gerade bin. Womit ich weitermachen- oder anfangen mag. Man fühlt sich gefangen in diesem leisen Warten… friedlich und unruhig zugleich… vielleicht auch Hin- und Hergerissen zwischen zwei Welten, zwei Wirklichkeiten)

Wäre man frei von Bedürfnissen, wäre man dann? Wäre man frei von jeglichem Wünschen und Wollen, bliebe dann noch etwas übrig? Wäre man frei? Oder leer? Oder Beides vielleicht? Freiheit liegt hinter der Leere.
Aber wann wird es Stumpfsinn und Gleichgültigkeit? Inhaltslos. Warten auf Nichts. Resignation vielleicht auch. Was ist Bild? Was ist Ich?
Beherrscht mich mein Körper oder beherrsche ich ihn? Und was ist mit dem Verstand? Ich steh’ mir im Weg. Wo will ich denn hin?

Ist Wollen nicht unvereinbar mit Sein? Nicht stets in die Zukunft gerichtet? Ich kann nehmen, was ist und mich darüber freuen. Kann ich? Kann ich nicht?
Ist Erwarten und Wünschen nicht Antrieb zum Tun? Zum Lachen, zum Spüren, zum Leben? Oder versperrt es den Zugang zu dem, was man sucht? Irgendwie… weiß ich es nicht.